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Feb
10

1 Professor für 357 Studenten – Der Kampf der Leipziger Ethnologie

Hunderte von Klausuren türmen sich auf den Tischen der Dozenten im Leipziger Institut für Ethnologie. Die wissenschaftlichen Hilfskräfte machen Überstunden. Die Hausarbeiten der Studenten werden nur noch stichprobenhaft durchgesehen. Prüfungen werden auf Fenstersimsen geschrieben. Und doch lachen die Studenten mit ihren Dozenten auf den Fluren. Alltag in der Leipziger Ethnologie.

Offiziell darf das Leipziger Institut für Ethnologie 37 Studenten pro Semester aufnehmen. Doch der Hochschulpakt sagt, die Universität braucht mehr Studenten. Genaugenommen 30.000. Ansonsten, so die Drohung, müsse das Rektorat 300 Stellen an der Universität streichen. Der Grund weshalb auch die Leipziger Ethnologie, nachdem sie vor zwei Jahren den Bachelor-Studiengang eingeführt hatte, in den vergangenen beiden Semestern trotz Überlastung, jeweils über 100 Studenten aufgenommen hat. Das Rektorat versprach Kompensationszahlungen von 1000 Euro pro Student – für ein Jahr! Im Endeffekt gab es 600 pro Student und die meisten brachen ihr Studium nach zwei Semster nicht ab.

Der einzige Professor des Instituts geht in einem halben Jahr in Rente. Einer Neu-Ausschreibung seiner Stelle hat sich das Institut entgegengestellt um Forderungen für einen strukturellen Personalausbau beim Rektorat durchzusetzen. Die Studierenden stehen hinter ihrem Prof und hinter ihren Dozenten. Schon seit Beginn des Semesters mobilisieren sie, entwerfen Poster, berufen Vollversammlungen ein, demonstrieren, laden zu einem öffentlichen Trauermarsch für die Ethnologie ein, schreiben Briefe an die sächsische Bildungsministerin und sprechen mit Medienvertretern. Unlängst gab es auch ein Gespräch mit dem Rektor der Universität. Dort forderten die Studis mindestens eine weitere Professur oder bis auf weiteres einen örtlichen Numerus Clausus. Wo hat es denn so etwas schonmal gegeben? Studenten betteln bei ihrem Rektor um eine Zulassungsbeschränkung. Die Welt steht Kopf. Und die Ethnologie kämpft weiter. Wie sie das tut kann man nachhören auf Deutschlandfunk und Sputnik:


Eine gelungene Zusammenfassung der Lage am Institut gibt es in der ZEIT und einen gut recherchierten Hintergrundbericht von Josef Briest im student!


Professor unser
gesuchet wird dein Nachfolger,
deiner ein Zweiter komme,
der studentische Wille geschehe
wie in unserem Wunsche so auch im Institut.
Unsere tägliche Lehre gib uns heute
Und bereichere uns mit Wissen.
Wie auch wir werden es weiter tragen.
Und führe die Ethnologie nicht zu Grabe
Sondern Erlöse uns von dem Mangel.
Denn dein ist die Forschung, die Lehre und die Wissenschaft in Ewigkeit.
Amen


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